„Es ist nicht richtig, immer alles hinzunehmen. Denn es gibt Menschen, die verwechseln Gutmütigkeit mit Schwäche und nutzen dich aus. Manchmal muss man im Leben einfach bestimmte Grenzen ziehen. Nicht um anderen weh zu tun, sondern um sich selbst vor Verletzungen zu schützen.“

Eines der wichtigsten Dinge, die ich als erwachsenens Kind eines Alkoholikers lernen musste war gesunde Grenzen zu setzen. Ich war mir lange Zeit gar nicht bewusst, dass ich das nicht konnte oder warum das überhaupt wichtig für mich ist. Ich wusste nur, dass es mir schwer fiel „Nein“ zu sagen und lieber „Ja“ sagte, um mich nicht schuldig zu fühlen. Grenzen setzen fällt vielen Menschen schwer und jeder, der in seinem Leben glücklich sein möchte braucht sie.

Besonders wichtig sind sie für Angehörige, die mit einem sucht- oder alkoholkranken Familienmitglied zu tun haben. Egal ob sie akut mit den Problemen eines Suchtkranken zu tun haben oder nur am Rande. Vor allem, wenn der Alkoholiker hinsichtlich seines Trinkproblems überhaupt nicht einsichtig ist und ohne Verantwortungsgefühl weiter konsumiert, ist es wichtig sich seiner Grenzen bewusst zu sein.

Dieser Artikel soll dir dabei helfen herauszufinden, wo deine Grenzen in der Beziehung zu einem alkoholkranken Menschen liegen und wie du aktiv welche setzen kannst. Außerdem zeige ich dir, wie du im Alltag leichter Nein sagen kannst, ohne dich direkt dafür schlecht zu fühlen.

Warum fällt uns Grenzen setzen so schwer?

Wenn unser Umfeld permanent unsere Grenzen überschreitet und in den unterschiedlichsten Situationen zu weit geht oder es uns schwer fällt Grenzen zu ziehen Grenzen liegt das einer schmerhaften Angelegenheit zu Grunde: Einem niedrigen Selbstwertgefühl. Denn Grenzen repräsentieren, wie viel du dir selbst wert bist. Und Menschen mit einem sehr geringen Selbstwertgefühl haben meist nur schwache oder gar keine Grenzen. 

Bis mir das bewusst wurde, bin ich ohne wirkliche Grenzen durch mein Leben gegangen. Viel zu lange zog ich keine einzige Grenze für mich und wusste nicht einmal, was meine Grenzen überhaupt sind. Es spiegelt sich überall wieder: Bei Freunden, sich meine ausgeprägte Hilfsbereitschaft zu Nutze machten. Bei Arbeitskollegen, denen ich immer wieder und wieder einen Gefallen tat. Und besonders schmerzhaft war für mich, dass ich wiederholt zuließ, dass mein Vater mich mit seinem Verhalten enttäuschte und verletzte.

Viele Dinge fand ich einfach nicht okay, wie zum Beispiel, dass er mich im betrunkenen Zustand anrief. Trotzdem war ich nicht in der Lage, deutlich zu machen, dass mir das missfällt. Statt bei diesem inakzeptablen Verhalten Konsequenzen zu ziehen, fühlte ich mich der Situation einfach nur hilflos ausgeliefert.

Gegenüber einem Alkoholkranken gesunde Grenzen zu ziehen, mag schwierig sein – ist aber essenziell, um sich sein eigenes Wohlbefinden zu bewahren. Denn ich will das nochmal betonen: Du kannst kein erfülltes Leben führen, bis du für dich selbst einstehst und Grenzen in deinem Leben setzt. Grenzen sind ein Zeichen der eigenen Wertschätzung und zeigen, dass wir uns selbst mit genügend Mitgefühl begegnen. Ziehen wir Grenzen, macht uns das stark und gleichzeitig verdienen wir uns den Respekt unserer Mitmenschen.

Was sind gesunde Grenzen?

Beim Setzen von Grenzen geht es darum, klarzustellen, was für uns in Ordnung ist und was nicht. Wir sind selbst dafür verantwortlich, unsere persönlichen Grenzen zu definieren und sie konsequent zu verteidigen. Wir kräftigen damit unser Selbstwertgefühl und sorgen dafür, dass wir von unseren Mitmenschen angemessen behandelt werden. Dabei ist zwischen gesunden und ungesunden Grenzen zu unterscheiden, denn sie machen einen wesentlichen Unterschied für unser Leben und unser persönliches Wachstum.

Eine ungesunde Grenze könnte so aussehen: „Ich werde meinem Partner nicht erlauben, dass er respektlos und harsch mit mir umgeht.“ Du wirst dich an dieser Stelle fragen, was daran ungesund oder falsch ist. Problematisch ist, dass du damit versuchst, das Verhalten deines Partners zu manipulieren und zu kontrollieren.

Die Wahrheit ist aber: Du kannst nicht beeinflussen, ob dein Partner sich dir gegenüber respektlos oder harsch verhält. Er wird sich so verhalten, wie er es möchte. Jetzt wirst du vielleicht einwenden: „Ja aber er behandelt mich schlecht. Soll ich das einfach so hinnehmen?“ Sollst du natürlich nicht. Wir können aber nicht über das Verhalten der anderen bestimmen und das ist der Punkt, wo deine persönliche Grenze ins Spiel kommt.

„Lass die Dinge los, die du nicht ändern kannst, und konzentriere dich auf das, was du tun kannst.“

Was kannst du also tun? Du zieht deine gesunde Grenze, indem du deutlich machst, wie du auf solch ein unwürdiges Verhalten reagierst. Anstelle der schlechten Grenze „Ich erlaube dir nicht, so mit mir umzugehen.“, tritt eine gesunde Grenze in Form von „So möchte ich nicht von dir behandelt werden und ich toleriere deine verbalen Angriffe und Beschimpfungen nicht. Das nächste Mal werde ich den Raum verlassen“.

Oder je nach Situation auch einfach auflegen oder kommentarlos die Textnachricht löschen. So übernimmst du Verantwortung für dich und ziehst eine Konsequenz, wenn deine Grenze überschritten wird. Kurz gesagt: Gesunde Grenzen sind nicht dafür da, andere Menschen zu kontrollieren, sondern um uns unseren Selbstwert zu bewahren.

Gesunde Grenzen in der Praxis: Step by Step Anleitung

 

Schritt 1: Werde dir bewusst, was für dich okay ist und was nicht 

Jeder Mensch sollte sich im Klaren darüber sein, welche Grenzen er im Leben braucht. Um letztendlich gesunde Grenzen ziehen zu können, musst du wissen, welches Verhalten du inakzeptabel findest.

Damit meine ich solches Verhalten, das dich stresst und verärgert oder bei dem du dich eindeutig unwohl fühlst. Gefühle wie Wut oder Überforderung sind gute Indikatoren dafür, dass deine persönliche Grenze überschritten wurde.

Du hast Schwierigkeiten beim Aufdecken von inakzeptablem Verhalten? Probiere einmal Folgendes: Beobachte eine Woche lang das Verhalten des Alkoholikers und schreibe jedes seiner Verhalten auf, das dich aufgeregt hat.

Ruft er oder sie dich immer wieder mit lallender Stimme an? Wirst du beschimpft und kritisiert, wenn er oder sie getrunken hat? Oder fühlst du dich gezwungen, Dinge zu tun, die du eigentlich gar nicht tun möchtest? Setzt du dich im Vorfeld intensiv mit deinen Grenzen auseinander, kannst du sie letztendlich viel standhafter zum Ausdruck bringen.

Schritt 2: Definiere deine Konsequenzen und bereite dich vor

Das Verhalten des Alkoholikers muss Folgen nach sich ziehen, wenn er deine Grenzen verletzt. Andernfalls werden deine Grenzen wirkungslos und verfehlen ihren Sinn. Entscheidend dabei ist, dass du nur solche Konsequenzen ankündigst, die du auch ohne Zweifel durchsetzen kannst.

Wenn du dem Alkoholiker zum Beispiel signalisierst, dass du sofort sein Haus verlässt, wenn er bei deinem Besuch getrunken hat, sei dir zu 100% sicher, dass du das auch tust. Es mag dir schwer fallen, ihn am Ende mit seiner Flasche alleine zu lassen – es könnte ihm ja wer weiß was passieren – aber es zwingt ihn letztendlich, Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen.

Du wirst vielleicht auch an einen Punkt kommen, an dem du dich dafür schuldig fühlst oder Angst hast. Es ist allerdings dein Recht und zugleich deine Pflicht, dich vor destruktivem Verhalten der anderen zu schützen. Mache dir also keine Sorgen darüber, dass du mit dem Setzen deiner Grenzen dein Gegenüber verletzen könntest.

Bereite dich aber auf Wut, Abwehr und Manipulation deines alkoholkranken Familienmitglieds vor. Eine ablehnende oder wütende Gegenreaktion ist ein Zeichen für mangelnden Respekt dir gegenüber. Das ist nicht in Ordnung, denn wie jeder andere Mensch verdienst auch du einen würdevollen Umgang.

Genauso wenig ist es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass andere mit deinen Grenzen einverstanden sind. Grenzen sind ein Zeichen von Selbstachtung – hier geht es nicht um die anderen, sondern um dich.

Mein Tipp: Übe dich in dem was du sagen möchtest. Es spielt keine Rolle, ob du das vor dem Spiegel tust oder während der Autofahrt. Indem du deine Grenzen laut aussprichst, gewinnst du mehr Selbstsicherheit und kannst im Gespräch bestimmter auftreten. Je mehr du dich mit deinen Wertvorstellungen und Grenzen identifizierst, desto besser kannst du sie auf den Punkt bringen.

Schritt 3: Kommuniziere deine Grenzen klar und bestimmt

Manchmal haben wir Angst, die Menschen die wir lieben zu konfrontieren. Wir haben Angst, den Leuten zu sagen, dass wir heute lieber alleine auf der Couch lümmeln, statt uns mit ihnen zu treffen. Wir fürchten uns davor, zuzugeben, dass wir dieses bestimmte Restaurant eigentlich gar nicht ausstehen können. 

Wir haben Hemmungen zu sagen, was wir wirklich wollen. Wir verbergen stattdessen unsere wahren Gefühle, weil wir Angst vor der negativen Reaktion anderer Menschen haben. Der wichtigste Teil bei Grenzen besteht darin, sie deutlich zu kommunizieren und zu ihnen zu stehen. Du kannst 10 gesunde Grenzen für dich aufgestellt haben – diese nützen dir aber nichts, wenn du sie nicht klar aussprichst. 

Daher folgender Rat: Mach’s kurz. Stelle deine Grenzen klar und deutlich in 1-2 Sätzen auf. Rede nicht drum herum und bringe sie auf den Punkt. Du brauchst dich für deine Grenzen außerdem weder entschuldigen noch rechtfertigen.

Wichtig ist dein sicheres Auftreten (gut, dass du im Vorfeld geübt hast!) und dass du der anderen Person immer würdevoll und freundlich begegnest. Lasse dich nicht von Gegenargumenten oder Manipulationsversuchen (und die werden kommen) verunsichern oder aus der Ruhe bringen.

Bleibe bei dir, bewahre dir deine Grenzen und stehe zu deinen Entscheidungen. Das Setzen von Grenzen wird dir mit der Zeit immer leichter fallen, egal ob gegenüber deinem alkoholkranken Familienmitglied, deinen Freunden oder deinem Chef. Es braucht ein wenig Übung, aber schon bald wirst du spüren, wie gut es für dein Selbstwertgefühl ist, für dich einzustehen.

Grenzen setzen: Eine bewusste Entscheidung

Angehörige von Alkoholkranken und Co-Abhängige können besonders schlecht Grenzen setzen. Es fällt ihnen unglaublich schwer, anderen Wünsche abzuschlagen. Sie geben oft mehr, als es im Nachhinein gut für sie gewesen wäre. Und meistens nehmen sie die Anliegen der anderen wichtiger als ihre eigenen.

„Setzt du schon Grenzen oder schluckst du noch alles runter?“

Das Setzen von Grenzen ist sowohl für dich, als auch für deine alkoholabhängige, geliebte Person wichtig. Mit Grenzen bist du weniger in das Chaos der Sucht verstrickt und steigst aus den emotionalen Achterbahnfahrten aus.

Du kannst deinen Fokus stattdessen viel besser auf dich selbst und dein Wohlbefinden legen. Ohne das ständige Gefühlschaos bist du in der Lage rationaler zu denken, klare Entscheidungen zu treffen und vor allem deine Selbstachtung zurückzugewinnen.

Du gehst als gutes Beispiel für deine Familie voraus, indem du fortan zu deinen Worten und Taten stehst. Mit der Zeit wirst du deine standhafte Stärke spüren, denn schließlich wird der Alkoholkranke gezwungen sein, die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen – und vielleicht sogar die Motivation aufbringen, Hilfe anzunehmen.

Es kann bereits ein kleiner Anfang für große Veränderungen im Leben eines Alkoholikers sein. Aber das wichtige ist die Veränderung, die bei dir selbst anfängt, indem du gut für dich selbst sorgst und von jetzt an gesunde Grenzen ziehst.

Und auch das ist alles ein Prozess, bei dem du liebevolle mit dir sein darfst. Ich habe wirklich lange üben müssen, um darin gut zu werden und mir ein Leben zu erschaffen, dass sich gut anfühlt. Gesunde Grenzen sind in jedem Lebensbereich wichtig und umso bewusster du dir wirst, wie wichtig es ist, desto schneller wird sich dein Leben zum Positiven verändern. 

Denn eines kann ich dir versprechen: Wenn du diese Kunst beherrschst, wird sich dein Leben massiv verändern und du wirst nicht nur gesundere Beziehungen führen, sondern auch viel mehr Energie und Zeit im Alltag haben, die du dir selbst schenken kannst!

With love,
Mel

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1 Gedanke zu „Wie du ohne Schuldgefühle Nein sagst und gesunde Grenzen setzt“

  1. Danke für diesen tollen Artikel, Mel! Ich denke in den letzten Tagen oft darüber nach, dass ich während meiner Kindheit nie als Individuum wahrgenommen wurde. Ich war verschmolzen mit allen Familienverstrickungen, stumm und taub gemacht vor den schmerzhaften Gefühlen. Und das führte letztendlich auch dazu, dass ich niemals lernte, Grenzen zu setzen. Zumindest nicht ohne die Gedanken, ich könnte jemanden vor den Kopf stoßen! In letzter Zeit traue ich mich immer mehr, Dinge aus meinem Herzen zu sagen und hervorzutreten aus dem Schatten und mein wahres Selbst zu leben! Und das lustige dabei ist, dass man eigentlich nur auf die innere, leise Stimme dabei hören muss! Das hat uns aber niemand vorher so explizit erklärt! Verrückt!

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